Nicht ihr habt mich erwählt,
sondern ich habe euch erwählt
Joh 15, 16
Oft wenn ich über die Berufung zum Priestertum nachdenke, erinnere ich mich an eine Person, die Spuren des Glaubenszeugnisses hinterlassen hat, eine Person, die sich am Ende des Tages in ihrer „Kleinheit“ als würdiger Mitarbeiter auf dem Feld des Herrn erwiesen hat. Wir sprechen vom heiligen Jean-Baptiste Marie Vianney, dem Pfarrer von Ars.
Jean Vianney wurde im Jahr 1786 geboren, kurz vor Beginn der Französischen Revolution, als diese versuchte, den jahrhundertealten katholischen Glauben auszulöschen und so Christus aus den Herzen der Gläubigen zu tilgen. Unter den wenigen Priestern, die weiterhin in den Pfarren tätig waren, setzte Jean Vianney seine Evangelisierungs- und Katechesetätigkeit auch dann fort, als dies als Widerstand gegen das etablierte System und als Feindseligkeit gegenüber dem Staat angesehen werden konnte.
Als er nach Ars, einem Ort mit 230 Seelen, geschickt wurde, sagte der Bischof, der ihn sendete, zu ihm: „Du gehst an einen Ort, wo es wenig Liebe zu Gott gibt, sei derjenige, der sie dorthin bringt.“ Und so war es. Bis zum Tod von Jean Vianney wurde Ars zu einem Wallfahrtsort, wohin Tausende von Menschen gingen, um diesen heiligen Priester kennenzulernen.
Was können wir aus dem Zeugnis dieses Lebens lernen?
Nach meiner Erkenntnis können wir den Ruf und damit den Dienst auf zwei Arten angehen: administrativ oder asketisch. Unsere Vision der Berufung wird zu unserer Vision des priesterlichen Dienstes. Wer sich für den ersten Ansatz entscheidet, wird seiner Berufung gerecht, indem er die Struktur und institutionelle Lebensform der Pfarre, in der er arbeiten wird, wertschätzt und betont. Darüber hinaus zeigt er ein großes Interesse an der Bewahrung und Pflege der materiellen Werte der Kirche sowie an der Genauigkeit und Präzision in der Dokumentation und dem ordnungsgemäßen Verhalten der Menschen beim Zugang zum Sakrament. Dieser Ansatz hat seinen Wert, aber seine Schwäche besteht darin, dass er durch das Beharren auf diesen Dimensionen seine persönliche Beziehung zu Christus verliert.
In der Zeit als der hl. Jean Vianney lebte, gab es das gleiche Problem bei der Herangehensweise des Klerus, was die Kirche an den Rand des Zusammenbruchs brachte, und irgendwie ist das heute noch „lebendig“.
Der Zugang, des hl. Jean Vianney ist anders, asketisch, man könnte sogar sagen athletisch, aufgrund seiner spirituellen Beweglichkeit und Beharrlichkeit, den Anforderungen entsprechend, wobei das Heil der menschlichen Seelen an erster Stelle steht. Sein Schwerpunkt liegt auf der Verkündigung der Evangelien, der Begegnung mit Christus, die zur Bekehrung und einem persönlicheren Leben des Glaubens führt.
Dieser Ansatz erfordert eine schrittweise Anpassung an Schwierigkeiten, vor allem an Schwierigkeiten in den Beziehungen der anvertrauten Seelsorge sowie an möglichen Enttäuschungen. Er fordert Opfer und Offenheit für das, was der Herr von uns verlangt, und selbst dann, wenn es uns überrascht.
Der administrative Ansatz (Sehen) ist irgendwie notwendig, aber mit dem asketischen Ansatz verflochten, mit der Tatsache, dass letzterer an erster Stelle stehen muss. Gläubige müssen, wie der Priester selbst, zuerst den Herrn Jesus Christus kennen. Nur so können sie wissen, was Er von uns erwartet. Was auch immer wir als Menschen aufzubauen versuchen, es muss im Dienst dessen stehen, was Christus gibt, und nicht Ziele und Ideologien die wir selbst vertreten.
Beide Ansätze sind also notwendig, müssen aber in ihrem Inneren vor Beginn des Dienstes selbst, auch während der Formierung, harmonisiert werden. Der Zeitpunkt der Formierung ist wichtig, aber nicht eine reine Übergangszeit. Es ist eine Zeit, in der spirituelles Wissen entsprechend der Berufung geformt wird, damit ihre Ziele im Einklang mit Gottes Willen leichter erkannt werden können.
Möge der hl. Jean Vianney für uns beten in allen Zeiten unserer Berufung, in allen Haltungen, dass sie fruchtbar seien und dass andere in unserer Nähe Gottes Liebe erfahren mögen!
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