Der gemeinsame Weg
In der Übersetzung aus dem Griechischen scheint diese Überschrift zweimal das Gleiche zu sagen, wenn hier vom „Weg des gemeinsamen Weges“ die Rede ist. Ist das so, oder macht es nicht Sinn, die Bewegung hin zu einem gemeinsamen Weg auch als eine Art des Unterwegs-Seins zu bezeichnen?
Für mich spiegelt sich im „gemeinsamen Weg“ zunächst deutlich das uralte Bild des pilgernden Gottesvolkes, des Volkes Gottes auf dem Weg, das für Juden, ebenso wie für Christen grundlegend und konstitutiv ist. In jeweils einer Stelle aus dem Alten und aus dem Neuen Testament wird das deutlich:
Denn du bist ein Volk, das dem Herrn, deinem Gott, heilig ist. Dich hat der Herr, dein Gott, ausgewählt, damit du unter allen Völkern, die auf der Erde leben, das Volk wirst, das ihm persönlich gehört.
Weil der Herr euch liebt und weil er auf den Schwur achtet, den er euren Vätern geleistet hat, deshalb hat der Herr euch mit starker Hand herausgeführt und euch aus dem Sklavenhaus freigekauft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. (Deuteronomium 7, 6.8)
Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat. (1 Petrus 2,9)
Dieser gemeinsame Weg („Synodalität“) des Gottesvolkes ist oft geprägt vom Motiv des Auszugs und des Einzugs. Auszug aus lebensfeindlichen/gottfernen Zuständen und Einzug in eine lebensfreundliche/gottnahe Umgebung. Von Ägypten in das gelobte Land, vom Exil in Babylon zurück nach Jerusalem. Beim Gottesvolk des Neuen Bundes geschieht dieser „Auszug“ durch die Abkehr von der Sünde und der „Einzug“ durch die Hinkehr zum neuen Leben in Christus. Der Weg des Volkes Gottes ist somit immer einer vom Dunkel in das Licht.
Insofern es hier aber immer eine Neuorientierung, eine Hinkehr und Ausrichtung zu diesem Weg des Volkes Gottes hin bedarf, ist es stets auch ein Weg hin zum gemeinsamen Weg („der Weg der Synodalität“).
In einem weiteren Schritt erinnert mich der Gedanke an einen „gemeinsamen Weg“ ganz praktisch gedacht immer an Fußwallfahrten in kleinen oder größeren Gruppen nach Mariazell.
Ein gemeinsames Ziel verbindet hier viele Einzelne zu einem gemeinsamen Weg. Wie dieser Weg gestaltet wird, kann auf unterschiedliche Weise bestimmt werden.
Es kann jemanden geben, der vorangeht und dem alle blind folgen (müssen? wollen?).
Es kann jemanden geben, der hinten geht und der alle anderen mehr oder weniger sanft vor sich her in eine Richtung treibt.
Es kann jemanden geben, der mitten in der Gruppe geht, der achtet, dass die Gruppe beisammen bleibt, dass die Geschwindigkeit auch für die Schwächsten passt, der sich die verschiedensten Meinungen zur Route, zur Verpflegung, zum Rasten, zum Einkehren, zur Spiritualität, zu Schmerzen/Verletzungen etc. anhört, wertschätzt und zu einer Synthese führt, die alle annehmen können.
Die ersten beiden Modelle bilden für mich nicht eine Weggemeinschaft ab, sondern eher das Modell einer Herde von Tieren, die irgendwohin geführt oder getrieben wird.
Für mich ist das letzte Bild der beste Ansatz für unseren gemeinsamen Weg („Synode“) in der Kirche. Wie das mit dem aktuellen kirchlichen Regierungsmodell einer absolutistischen Monarchie zusammengeht, weiß ich nicht, sicher ist, dass es allein Jesus selbst sein muss, der auf diesem gemeinsamen Weg vorangeht.
Ein Absatz aus dem Vorbereitungsdokument zur Synode gibt Anlass zur Hoffnung:
Es ist der Herr Jesus, der sich selbst als „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ offenbart. Und die Christen in seiner Nachfolge werden ursprünglich „die Anhänger des Weges Jesu“ genannt. In dieser Perspektive ist die Synodalität weit mehr, als die Feier kirchlicher Treffen und die Versammlungen von Bischöfen oder eine Frage der einfachen internen Verwaltung der Kirche; sie ist der spezifische modus vivendi et operandi der Kirche als Gottesvolk, das seine Existenz als Gemeinschaft und Weggemeinschaft manifestiert und konkretisiert, indem es in der Versammlung zusammenkommt und indem alle seine Mitglieder aktiv an seinem Auftrag der Evangelisierung teilnehmen.
© Engelbert Franz, Angestellter
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